Ich erwarte die Ankunft des Teufels, Mary MacLane

Ich erwarte die Ankunft des Teufels, Mary MacLane, Rowohlt
erschienen bei Rowohlt

Mary MacLane, 19 Jahre alt, 1881 geboren, schreibt über drei Monate eine Art Tagebuch (sie will es nicht als Tagebuch bezeichnet haben). In diesen drei Monaten dürfen Leser*innen am Innenleben der jungen Frau teilhaben. Gelesen wird ein überraschend moderner Text, eine Streitschrift für die Frau, ein Manifest einer jungen Intellektuellen und ein Lamento einer Jugendlichen.

 

Marx MacLane ist anders als ihre Familie, sie sieht sich als brillantes verkanntes Genie, als Philosophin und Denkerin, die ihrer Zeit und ihren Zeitgenossen weit voraus ist. Diese Ansicht teilt sie mit einer unvergleichlichen Egozentrik mit. Sie verspürt den Drang nach Leben, nach Glück, das sie sich nur für einen kurzen Augenblick und nur durch den Teufel ermöglicht verspricht, und nach etwas Unfassbarem, von dem sie nicht weiss, ob es erreichbar ist.

 

Sie verfällt in ein äusserst passives Warten auf dieses vom Teufel gebrachte Glück, auf dieses erlösende Moment, das sämtliche Strapazen entschuldigen würde und von dem sie den Rest ihres Lebens zehren könnte.

 

Was ihrem Charakter geschuldet ist und was schlicht eine Einschränkung durch die Zeit ist, kann ich nicht abschliessend bestimmen. Die schweren Kämpfe mit ihrem Leben, die stete Beschäftigung mit ihrem Sterben, auch dem immer wieder geäusserten Wunsch danach, sprechen für einen lähmenden Gemütszustand. Die brachliegende Intelligenz und die Liebe zu ihrer ehemaligen Lehrerin führen zu einer erdrückenden Einsamkeit der jungen Frau.

 

Der Text ist gespickt mit Referenzen auf Literatur, Musik und Religion, Mary MacLane ist definitiv belesen. Ihre Sprache in der Übersetzung von Ann Cotten ist wundervoll, ich bin darin versunken wie in einer saftigen Blumenwiese, die Worte streicheln die Seele, sind schwer und melancholisch und gleichzeitig haben sie etwas Tröstendes.

 

Ich erwarte die Ankunft des Teufels sollte in kleinen Dosen genossen werden, damit sich die Schönheit des Textes entfalten kann und - zugegebenermassen - die Redundanz der jugendlichen Überheblichkeit erträglich ist. Ich bin beeindruckt von Mary MacLanes Text.


Ich warte auf die Ankunft des Teufels, Mary MacLane aus dem Amerikanischen von Ann Cotten (im Original I Await the Devils Coming)

206 Seiten

erschienen im März 2020

ISBN: 978-3-15-011256-4

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