Während wir feiern ist eine Momentaufnahme, ein Einblick in die Leben verschiedener Bewohner Zürichs. Alexa, eine deutsche Staatsbürgerin, die seit langer Zeit in Zürich lebt und auf die
Einbürgerung hin arbeitet, feiert traditionsgemäss am Schweizer Nationalfeiertag ihren Geburtstag. Dies auf ihrer Dachterrasse mit Schweizerfähnchen, Luftschlangen mit Schweizer Kreuzen und
rotweisser Deko. Die Frage, ob „man“ das darf, steht im Raum.
Darf man patriotisch sein, wenn man die Staatsbürgerschaft des entsprechenden Landes nicht hat? Darf man es gerade nur dann, wenn man diese nicht hat? Dürfen Linke patriotischer sein als Rechte?
Denn während Alexa ihr Fest vorbereitet, beschreibt Ulrike Ulrich auch den Tag von Adrian, Robert, Connie und Vlora, von Evelyne, Rosie und Philip, von Brad und Jessica, von Freunden und
Bekannten und von Zoltan und Kamal. Unter das Summen ihrer Vorbereitungen mischen sich die Melodien der anderen. Für Alexas Leben zwar marginal, doch durchdringend erklingt Kamals Lied, der nach
dem letzten Entscheid illegal in der Schweiz ist und verzweifelt nach einem Zufluchtsort sucht, der ihm niemand zu gewähren scheint, nicht mal von dem Mann, der ihn liebt.
Während wir feiern springt zwischen den verschiedenen Charakteren hin und her, wobei Alexa und ihre Wohnung im Mittelpunkt stehen, das weitergeben des Erzählstabs ist anfangs etwas
gewöhnungsbedürftig, lässt aber den Eindruck der Unmittelbarkeit entstehen und zeigt die Willkür unserer Aufmerksamkeit. Denn obwohl in Während wir feiern Kamal die grösste Aufmerksamkeit
verdienen würde, wandert der Geist des Lesers zurück zur Banalität des Alltäglichen, vielleicht ist das der einzige Weg, wie wir mit Schicksalen umgehen können?
Nicht zuletzt hat mich das Buch durch den starken Bezug zu meiner Heimatstadt verführt. Neben dem Lokalen, habe ich „den Zürcher“ erkannt, die Betroffenheit des Zürchers von Einzelschicksalen,
solange nicht der eigene Alltag gestört wird, von dem scheinheiligen Umgang mit Tradition, wobei dies natürlich nicht alle Zürcher widerspiegelt und bestimmt auch in anderen Städten anzutreffen
ist.
Während wir feiern beschreibt einen 1. August, wie er wohl alltäglicher nicht sein könnte, mit schonungslosem Blick auf die Prioritätensetzung er Privilegierten.
Während wir feiern, Ulrike Ulrich
272 Seiten
erschienen im Juli 2020 beim Berlin Verlag (Piper)
ISBN: 978-3-8270-1408-5