Die souveräne Leserin spielt mit dem Bild, das wir von der Queen haben. Spannend ist ja, dass alle wissen, von wem die Rede ist und dass jede/r eine Vorstellung hat, wie die Queen ist. Und so ist
sie eben nach Alan Bennetts Novelle nicht oder nicht mehr.
Die unbeteiligte, stoische Queen entdeckt das Lesen. Das erste Buch nimmt sie nur mit, weil sie ihren Untertan, den Bibliothekar nicht beleidigen möchte. Doch aus dieser königlichen Geste
erwächst eine Leidenschaft, die Queen verliert sich in der Lesewelt und vernachlässigt ihre königlichen Pflichten. Sie wird gleichgültiger, zum Genuss der Familienmitglieder, zum Verdruss des
persönlichen Sekretärs. Und - das überrascht sie besonders - sie wird mitfühlend, denn das Lesen lehrt sie die Leben der Menschen. Die Untertanen sind irritiert von der Menschlichkeit. Und
während die Queen ihr Wissen stetig erweitert unterstellt ihr der Hofstaat beginnende Senilität. Zusätzlich sieht sich das Umfeld immer mehr belastet, da die Queen - welch Affront - zum Lesen
auffordert und Bücher verteilt. Doch die Queen findet ein Leben in den Büchern. Und das Lesen führt zum Unvermeidlichen!
Mit viel Witz und einem Augenzwinkern beschreibt Alan Bennett diese Veränderung. Er bringt die distanzierte Naivität der Queen (wie ich sie mir vorstelle) auf den Punkt. Des perfekte Buch für
einen regnerischen Sonntag, unter einer hübschen Decke und zu heissem Tee.
Die souveräne Leserin, Alan Bennett, aus dem Englischen von Ingo Herzke (im Original The Uncommon Reader)
120 Seiten
erschienen 2008 bei Wagenbach SALTO
ISBN 978-3-8031-1254-5
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